Social Media-Wahlkampf in NRW und Schleswig-Holstein
Die erste Jahreshälfte 2022 war von gleich zwei Landtagswahlen geprägt: und zwar in Schleswig-Holstein, dem nördlichsten Bundesland, sowie in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland. Wir haben uns angeschaut, wie die Parteien vor den Landtagswahlen ihre Profile auf Facebook, Instagram und Twitter genutzt haben: Wie häufig haben sie etwas gepostet und wie viele Interaktionen konnten sie damit in ihren Communities erreichen? Haben sie es dadurch geschafft, Follower zu gewinnen – oder mussten sie im Wahlkampf Fan-Verluste einfahren? Unser Untersuchungszeitraum war der 1. Februar bis zum jeweiligen Wahltag (SH: 08.05., NRW 15.05.).
Wahlkampf Performance auf Facebook
Durchschnittlich wurden in beiden Landtagswahlkämpfen von den Parteien auf Facebook ähnlich viele Beiträge gepostet (durchschnittlich 142 in SH und 134 in NRW). Allerdings ist zu beachten, dass der Untersuchungszeitraum für den Online Wahlkampf in NRW eine Woche länger ist als für den in Schleswig-Holstein.
Wie zu erwarten, sind die Facebook-Profile der Parteien im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen deutlich größer als die in Schleswig-Holstein. Beispielsweise ist das Profil der CDU in NRW mit 21.000 Followern fast dreimal so groß wie das der CDU im nördlichen Schleswig-Holstein mit 7.400 Followern.
Wahlkampf auf Facebook in Nordrhein-Westfalen
In Nordrhein-Westfalen hat die AfD mit Abstand das größte Facebook-Profil, gemessen an der Zahl der Follower (53 Tsd.). Danach folgen die Freien Demokraten (31 Tsd.) und die Linken (30 Tsd.). Mit einem Gewinn von 903 Followern verzeichnet die AfD zudem das größte Followerwachstum, während die Linken mit -295 die meisten Verluste hinnehmen müssen. In der Fan-Entwicklung spiegelt sich das Wahlergebnis nicht eindeutig wider: Die Grünen (+11,8 Prozent) und die Union (+2,8 Prozent) konnten als einzige Parteien Stimmen dazugewinnen, die meisten Stimmen verloren haben die Freien Demokraten (-6,7 Prozent).
Am aktivsten bespielten die Freien Demokraten die Facebook-Plattform (202 Beiträge). Die hohe Anzahl an Posts und die Postingrate von durchschnittlich fast 2 Beiträgen pro Tag führte aber nicht zu den meisten Reaktionen, insgesamt fallen sie für die FDP sogar unterdurchschnittlich aus (36 Tsd.). Die wenigsten Beiträge posteten im Facebook Wahlkampf die Sozialdemokraten (84 Beiträge).
Die AfD postete am zweithäufigsten, sie konnte mir ihren Beiträgen mit Abstand die meisten Interaktionen hervorrufen (369 Tsd.). Das wirft einmal mehr die Vermutung auf, dass die Beiträge der Alternative für Deutschland, die meist starke Emotionen wie Wut und Hass provozieren, vom Facebook Algorithmus honoriert werden.
Wahlkampf auf Facebook in Schleswig-Holstein
In Schleswig-Holstein hat die AfD, wie auch in NRW, das größte Facebook-Profil nach Followern (17 Tsd.). Mit 7.7 Tsd. Followern folgt hier mit deutlichem Abstand die Linke, den dritten Platz teilen sich die Union und die Freien Demokraten mit je 7.4 Tsd. Followern.
Wie in NRW kann die AfD während des Wahlkampfs das größte Followerwachstum (+717) verzeichnen und die Linken können auch in Schleswig-Holstein am wenigsten neue Follower (+47) hinzugewinnen. Fan-Verluste musste keine Partei einstecken. Die Fan-Entwicklung auf Facebook ist auch hier losgelöst vom Wahlergebnis zu betrachten: Bei der Landtagswahl konnte die CDU mit über 11 Prozent am meisten Stimmen hinzugewinnen. Den größten Wählerstimmenverlust musste die SPD (-11,3 Prozent) einstecken.
Im Landtagswahlkampf in Schleswig-Holstein waren die Parteien auf Facebook ähnlich aktiv wie in Nordrhein-Westfalen: Sie posteten durchschnittlich 1,5 Posts pro Tag. Mit Abstand am häufigsten postete die AfD (2,4 Posts pro Tag), am inaktivsten war ähnlich wie in NRW die SPD (0,9 Posts pro Tag). Am meisten Reaktionen über den gesamten Zeitraum konnte daher wenig überraschend auch die Alternative für Deutschland einfahren (72 Tsd.). Auffällig: Die Grünen posteten unterdurchschnittlich häufig (1,1 Posts pro Tag) und haben mit 5.1 Tsd. Followern auch eine vergleichsweise kleine Fanbase, dennoch erreichten sie überdurchschnittlich viele Interaktionen in ihrer Community auf Facebook (36 Tsd.) – damit liegen die Grünen bei den Reaktionen auf Rang zwei nach der AfD.
Facebook Algorithmus honoriert Tonalität der AfD
Dass auf Facebook in beiden Ländern die AfD bei Fans und Interaktionen mit deutlichem Abstand vorn liegt, verwundert nicht wirklich. Wie bereits in unserer Facebook Analyse der Landtagsfraktionen aus dem letzten Jahr gezeigt, scheint dafür unter anderem der Algorithmus-freundliche Content verantwortlich zu sein. Der Facebook-Algorithmus ist dafür bekannt, Postings die Hass und Wut schüren, besonders zu pushen. In diese Richtung ging auch Ende 2021 die Aussage von Frances Haugen, ehemalige Facebook Mitarbeiterin, vor dem US-Kongress.
Der große "Erfolg" der AfD auf Facebook scheint aber nicht nur an der Algorithmus-tauglichen Content-Strategie zu liegen: Regelmäßig wird vermutet (siehe z.B. die Untersuchung des Medienwissenschaftlers Trevor Davis 2019), dass die AfD-Aktiven auf Bots setze, um die Viralität der Beiträge anzutreiben. In der Tat werden Beiträge der AfD untypischerweise von ein und demselben Nutzer mehrfach geteilt. Auch scheint das einzige Ziel dieser Accounts, die häufig kaum oder gar keine Facebook-Freunde haben, im Stunden- oder gar Minuten-Takt AfD-genehme Botschaften zu teilen.
Auffällig: Diese Accounts erhalten in aller Regel selbst fast keine Likes oder Reaktionen auf diese Beiträge – die sozialen Interaktionen sind aber für die allermeisten Nutzer der Grund, etwas auf Facebook mitzuteilen. Eine Nutzung von Bots oder aber die manuelle Bedienung einer ganzen Armada von Fake-Accounts ist damit zumindest plausibel. Die hohe Zahl an Reaktionen auf AfD-Beiträge wie auch letztlich ihre Fans sind folglich unter einem gewissen Vorbehalt zu sehen.
Performance auf Instagram
Die Zahlen aus der Analyse des Online Wahlkampfs auf Instagram, das auch zum Meta Konzern gehört, gehen in eine etwas andere Richtung als die Facebook-Analyse: In NRW besitzen die Grünen mit 15 Tsd. Followern den größten Account, gefolgt von der CDU mit rund 12 Tsd. Followern. Die Schlusslichter sind die FDP (6.8 Tsd.) und die SPD (6.3 Tsd.). Alle Parteien konnten über 1.000 neue Follower im Wahlkampf hinzugewinnen – bis auf die Linken, sie wachsen lediglich um 232 Follower.
Die Anzahl der Posts liegt auf Instagram ähnlich hoch wie auf Facebook, hier wurde durchschnittlich etwas häufiger gepostet (Frequenz von 1,5 Posts pro Tag auf Facebook, auf Instagram 1,3 Posts pro Tag). Häufig lässt sich beobachten, dass die Parteien Content zweitverwerten und sowohl auf ihrem Facebook- als auch auf dem Instagram-Profil denselben Beitrag posten. Gründe hierfür liegen vermutlich im Zeit- und Ressourcenmangel, um kanal- und zielgruppenspezifischen Content zu erstellen.
Dass unterschiedlicher Content wichtig wäre, zeigt sich unter anderem in der Demografie der beiden Plattformen: 2021 waren 73% der deutschen Instagram-Nutzerinnen und -Nutzern zwischen 14-29 Jahren alt. In den letzten Jahren ist die Zielgruppe der 20 bis 29-Jährigen auf Instagram noch einmal gewachsen. Auf Facebook hingegen sind circa 27 Prozent älter als 45 Jahre und noch einmal 29 Prozent zwischen 25 und 34.
Betrachtet man die Followerzahlen der Parteien mit diesem Wissen im Hinterkopf, könnte man einen Zusammenhang mit den Erfolgen der Grünen bei Erst- und Jungwählern und ihrer großen Fanbase auf Instagram herstellen. Auch die Freien Demokraten sind bei jungen Wählerinnen und Wählern erfolgreich, das zeigt sich (bisher) allerdings nicht eindeutig in der Followerzahl der FDP NRW auf Instagram.
Anders als auf Facebook zahlt sich hier zumindest bei der Anzahl der Reaktionen die hohe Postingfrequenz der Freien Demokraten aus: Mit 225 Beiträgen konnten sie 60 Tsd. Reaktionen erzielen. Am wenigsten ist es den Linken gelungen, ihre Community zum Interagieren zu animieren (12 Tsd.).
Wahlkampf auf Instagram in Nordrhein-Westfalen
Wahlkampf auf Instagram in Schleswig-Holstein
Auch in Schleswig-Holstein führen die Grünen mit Blick auf die Gesamtfolloweranzahl (5 Tsd.), gefolgt von der CDU (4 Tsd.) und der FDP (3.2 Tsd.).
Auch das größte Followerwachstum liegt bei den Grünen (+710). Anders als auf Facebook kann die AfD auf Instagram nur wenig neue User von sich überzeugen, sie haben das zweitschwächste Wachstum (+140), weniger wächst nur der SSW (+90). Für die AfD Schleswig-Holstein scheint auch der Fokus auf Facebook gelegen zu haben: Sie postet auf Instagram nur durchschnittlich 0,8 Posts am Tag, also rund 1,6 Posts weniger, als auf Facebook. Die höchste Postingfrequenz auf Instagram haben die Freien Demokraten (1,9 Posts pro Tag) mit insgesamt 187 Beiträgen. Allerdings zeigt sich auch hier: Die hohe Anzahl der Posts führte nicht zu den meisten Reaktionen. Gewinner in dieser Kategorie sind die Grünen (29 Tsd.).
Performance auf Twitter
Die Auftritte der Parteien auf Twitter unterscheiden sich wiederum deutlich von denen auf Facebook und Instagram. Wie zu erwarten, gibt es auf Twitter eine höhere Postingfrequenz in beiden Wahlkämpfen. Das liegt auch in der Natur des Social Media-Kanals: Mit Twitter steht den Parteien eine Art Ticker for free zur Verfügung. Wahlkampfauftritte und Reden der Spitzenkandidatinnen und -kandidaten können hierüber begleitet werden. Am häufigsten twitterten die Sozialdemokraten (4,7 Tweets pro Tag), am seltensten die AfD (2,4 Tweets pro Tag).
Die vielen Tweets der SPD führen zwar auch zu vielen Reaktionen (32 Tsd.), diesen ersten Platz teilen sie sich allerdings mit den Grünen, die deutlich seltener einen Tweet abgesetzt haben. Das spricht zum einen dafür, dass sie zu ausgewählten Themen getwittert haben und zwar in der Art und Weise, dass die Menschen sich dazu verhalten wollten. Die hohe Reaktionszahl weist allerdings nicht ausschließlich auf hohe Zustimmung hin, negative Kommentare zählen genau so als Interaktion wie positive. Ein weiterer Grund für die hohe Reaktionszahl kann in der Aktivierung der eigenen Unterstützerinnen und Unterstützer liegen, so haben die Grünen auf Bundesebene beispielsweise eine Netzfeuerwehr, die sie in ihrer Online Arbeit unterstützt, ähnliches wäre auch auf Landesebene denkbar.
In NRW führen die Grünen mit Blick auf die Gesamtanzahl an Followern auf Twitter, allerdings mit 35 Tsd. Followern – also mehr als doppelt so vielen wie auf Instagram (15 Tsd.). Das zweitgrößte Twitter-Profil haben in NRW die Freien Demokraten (28 Tsd. Follower). Schlusslicht bilden die Linken mit lediglich 11 Tsd. Fans. Das größte Followerwachstum können die Sozialdemokraten (+944) verzeichnen, während die Linke trotz 3,2 Posts am Tag über den gesamten Wahlkampf nur 67 neue Follower überzeugen kann.
Wahlkampf auf Twitter in Nordrhein-Westfalen
Wahlkampf auf Twitter in Schleswig-Holstein
Im nördlichen Schleswig-Holstein führen dagegen die Sozialdemokraten mit 8.2 Tsd. Followern das Twitter Ranking an, während die Grünen mit 6.5 Tsd. Followern den zweiten Platz belegen. Das Schlusslicht bildet der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) mit 1.5 Tsd. Follower, die Freien Demokraten liegen mit 1.6 Tsd. Followern nur knapp darüber. SSW und FDP teilen sich auch die letzten Plätze, wenn es um das Followerwachstum geht. Die meisten neuen Fans konnten die Grünen im Wahlkampf auf Twitter gewinnen (+290)
Obwohl sie eine geringe Fanbase haben, führen die Freien Demokraten mit 23 Posts pro Tag und insgesamt 2,2 Tsd. (!) Tweets und Retweets deutlich vor den anderen Parteien: Die SPD verzeichnet 8,5 Posts pro Tag bei insgesamt 824 Posts und die Grünen zählen 353 Posts bei einer Frequenz von 3,6 Posts pro Tag. Die meisten Reaktionen erreicht allerdings die AfD (46 Tsd.). Am erfolgreichsten waren 4 Tweets der AfD im Untersuchungszeitraum - interessanterweise alles Video-Beiträge: Wahlprogramm-Video, TV-Wahlspot, Vorstellungsvideo von Kurz Kleinschmidt (Listenplatz 2) und das Vorstellungsvideo des Spitzenkandidaten Jörg Nobis. Hier ist denkbar, dass vor allem die eigene Bubble aktiviert wurde, die explizit auf diese Beiträge hingewiesen wurde und die Videos zahlreich verbreiteten, ähnlich der Funktionsweise der Grünen Netzfeuerwehr.
Die Masse macht's - nicht immer!
Resümiert lässt sich feststellen, dass die Parteien auf den unterschiedlichen Plattformen jeweils unterschiedlich ankommen – klare „Gewinner“ über alle Kanäle hinweg gibt es nicht. Dies lässt sich auf die unterschiedlichen Demografien und Algorithmen der Social Media-Kanäle zurückführen.
Deutlich wird, dass eine hohe Postingfrequenz nicht immer zum Erfolg führt. Das zeigt sich beispielsweise in der Analyse der FDP Performance auf Facebook in Schleswig-Holstein. Vielmehr scheint es auf die Inhalte und die Aktivierung der eigenen Community anzukommen, die die Beiträge teilt und dadurch weiteren Menschen zugänglich macht.
Und: Adbuying, also der Einsatz bezahlter Werbung, auf Facebook und Instagram ist nicht zu vernachlässigen, lediglich auf Twitter sind politische Anzeigen nicht möglich. In den Daten sind lediglich die organisch geposteten Beiträge mit einbezogen - Reaktionen und Likes auf diese Beiträge wurden aber auf Instagram und Facebook vermutlich durch Werbeschaltung unterstützt. Das könnte auch mit verantwortlich für die hohen Reaktionswerte bspw. der AfD auf Facebook sein. Auskunft über das eingesetzte Werbebudget der Parteien auf Facebook und Instagram liefert die Adlibrary.
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