SEO: Beeinflusst Gendern Deine Website-Rankings?

SEO: Suchfeld, Mann am Schreibtisch mit Laptop, iPad und Smartphone

Über kaum ein Thema wird hierzulande so viel und leidenschaftlich diskutiert wie über das Gendern. Während die einen geschlechtergerechte Sprache als fortschrittlich und gesellschaftlich notwendig erachten, befürchten andere den Verlust von Lesbarkeit und Sprachtradition. Fest steht, dass die Deutschen dem Thema insgesamt skeptisch gegenüber stehen. Laut einer Umfrage von infratest dimap sind die Vorbehalte groß: 65 % der Befragten lehnen gendergerechte Sprache ab, nur 26 % sehen die Entwicklung positiv.

Interessant: Auf Unternehmensseite wird geschlechtergerechte Sprache immer wichtiger. Laut Randstad-ifo setzen bereits 35 % aller Unternehmen gendergerechte Sprache in ihrer Außenkommunikation ein – Tendenz steigend. Und das natürlich auch im Netz, wo die Sichtbarkeit der eigenen Website besonders relevant ist. 

Doch genau hier stellen sich die Fragen: Inwiefern ergibt das Gendern im Netz überhaupt Sinn? Wie gut passen gendergerechte Sprache und SEO zusammen? Und kann gendern auf Webseiten aus Suchmaschinen-Sicht vielleicht sogar nachteilig sein? Antworten darauf hat unser SEO-Experte Steffen Hafenmayer.

Was ist geschlechtergerechte Sprache?

Zunächst zur Definition: Bei geschlechtergerechter oder genderneutraler Sprache handelt es sich um eine Sprache, die alle Geschlechter ansprechen soll. 

Das Problem: Deutsch gilt gemeinhin als binäre Sprache, in der viele Begriffe sowohl in einer männlichen als auch in einer weiblichen Variante beschrieben werden können (z. B. „Politiker“ vs „Politikerin“). Bisher war meist das generische Maskulinum die Regel, d. h. die männliche Form dominierte den deutschen Sprachgebrauch, nicht-männliche Personen wurden allenfalls mit-gemeint, nicht jedoch explizit erwähnt. 

Welche Möglichkeiten für gendergerechte Sprache gibt es?

Eine feste Vorlage dafür, wie geschlechtergerechte Sprache auszusehen hat, gibt es nicht. In den letzten Jahren haben sich viele verschiedene Varianten herausgebildet, die mehr oder weniger gleichberechtigt nebeneinander existieren und eingesetzt werden:

Ansprache von Frauen und Männern:

  • Nennung der weiblichen und männlichen Form: „Studentinnen und Studenten“
  • Binnen-I: „StudentInnen“
  • Schrägstrich: „Student/innen“

Ansprache von allen Geschlechtern:

  • Gender-Gap: „Student_innen“
  • Doppelpunkt: Student:innen
  • Gendersternchen: Student*innen

Weitere Formen:

  • Studierende

Warum ist das Gendern wichtig?

Sprache schafft Realität und beeinflusst unsere Wahrnehmung. Zu diesem Ergebnis kamen in den letzten Jahren Forschende weltweit, unter anderem auch zwei Psychologinnen der Freien Universität Berlin. „Wenn Berufe in einer geschlechtergerechten Sprache dargestellt werden (Nennung der männlichen und weiblichen Form, zum Beispiel „Ingenieurinnen und Ingenieure“ statt nur „Ingenieure") schätzen Kinder typisch männliche Berufe als erreichbarer ein und trauen sich selbst eher zu, diese zu ergreifen“, heißt es in der offiziellen Pressemitteilung zur Studie

Doch welche Form von geschlechtsneutraler Sprache für das eigene Unternehmen und die eigene Marke passend ist, ist oftmals gar nicht so leicht zu bestimmen. Denn: Die richtige Kommunikation ist abhängig von Zielgruppe und Positionierung. 

Folgende Fragen können dennoch einer ersten Orientierung dienen: Welche Werte sollen nach Außen und nach Innen vertreten werden? Wie steht die Zielgruppe zum Thema? Wie positionieren sich andere Wettbewerber?

Gendern in der Politik

Auch die Politik kommt an dem Thema Geschlechtergerechtigkeit nicht vorbei. Eine Analyse der Wahlprogramme der Parteien zur Bundestagswahl 2021 zeigt jedoch: Die Parteien gehen höchst unterschiedlich mit gendergerechter Sprache um. 

  • Während CDU/CSU zwar von „Bürgerinnen und Bürgern“ sowie „Forscherinnen und Forschern“ sprechen, wird schnell deutlich: Es fehlt im Programm an einer einheitlichen Linie.
  • Die SPD verwendet in ihrem Wahlprogramm das Gendersternchen, spricht konsequent von „Wähler*innen“.
  • Auch die Grünen, die bereits im Jahr 2015 einen Beschluss zur Verwendung gendergerechten Sprache gefasst haben, nutzen auf 272 Seiten Wahlprogramm konsequent das Gendersternchen. 
  • Die FDP hält es hingegen ähnlich wie CDU/CSU: Im Programm werden sowohl männliche als auch weibliche Lesende angesprochen, aber eher traditionell mit „Bürgerinnen und Bürger“
  • DIE LINKE hat sich im Wahlprogramm klar für das Gendersternchen entschieden. 
  • Die AfD bezieht in der Gender-Frage einen fundamental anderen Standpunkt. Sie spricht sich als einzige Partei im Bundestag klar gegen das Gendern aus und kündigt im Wahlprogramm an: „Alle Fördermittel für die auf der Gender-Ideologie beruhende Lehre und Forschung sind zu streichen. Politisch korrekte Sprachvorgaben zur Durchsetzung der Gender-Ideologie lehnen wir ab.“

SEO und Gendern: Was ist eigentlich das Problem?

Bei der Online-Suche muss es meist schnell gehen. Häufig werden nur Schlagwörter in die Suchmaske eingegeben, deren Interpretation die Maschine übernimmt. 

Das Problem: Die kürzeste Form eines Wortes wird im Deutschen durch das generische Maskulinum dargestellt. Es wird deutlich häufiger verwendet und gesucht als weibliche oder geschlechtsneutrale Varianten. Ein Keyword-Vergleich von verschiedenen Berufen offenbart große Unterschiede hinsichtlich des monatlichen Suchvolumens:

  • “Friseur Berlin” 9.600 Suchanfragen pro Monat
  • “Friseurin Berlin” 200 Suchanfragen pro Monat
  • “Dermatologe Berlin” 3.000 Suchanfragen pro Monat
  • “Dermatologin Berlin” 100 Suchanfragen pro Monat
  • “Makler Berlin” 1.950 Suchanfragen pro Monat
  • “Maklerin Berlin” 100 Suchanfragen pro Monat

Die Grundregel im SEO lautet, auf diejenigen Keywords zu optimieren, die über das höchste Suchpotential verfügen. Es verwundert daher nicht, dass so viele Webseiten den Schwerpunkt weiterhin auf das generische Maskulin legen. 

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Google denkt und arbeitet im generischen Maskulin

Doch auch die Suchmaschine ist nicht ganz unschuldig an diesem Sachverhalt. Das generische Maskulinum, so scheint es, wird von Google bei der Ausspielung der Suchergebnisse immer noch bevorzugt. 

Sucht man zum Beispiel explizit nach einer “Friseurin Berlin” fragt die Suchmaschine unverzüglich: “Meintest du: friseur berlin?”

Und auch wer einen Doppelpunkt oder ein Gendersternchen in die Suchmaske eingibt, stößt mitunter auf nicht hundertprozentig passende Ergebnisse. Aus “Dermatolog:in Berlin” wird dann der generelle Suchvorschlag “Dermatologie in Berlin”. 

Was sagt Google zum Thema Gendern in der Suchmaschinenoptimierung?

John Müller, Webmaster Trends Analyst bei Google, äußert sich in einer SEO-Sprechstunde vom 10.06.2021 zum Thema geschlechtergerechter Sprache wie folgt: “Unsere Systeme sind darauf ausgelegt, Synonyme zu erkennen. In der Regel versucht Google neue Trends abzuwarten, um zu prüfen, wie sich das Userverhalten langfristig entwickeln wird.” 

Die Google-Suche, so erklärt Müller weiter, folge schlussendlich dem Suchbefehl und der Suchintention ihrer Nutzer. Das heißt: Je mehr Menschen in der Websuche gendern, desto besser und schneller würde die Maschine für gendergerechte Sprache sensibilisiert.

Bringt das Gendern auf Webseiten wirklich SEO-Nachteile?

Die Vermutung liegt schnell auf der Hand: Wer bei seiner Webseite ausschließlich auf geschlechtsneutrale Wörter und Begriffe setzt, kann eventuell Probleme bekommen, was die eigene organische Sichtbarkeit betrifft. Dass dies jedoch kein allgemeingültiges Gesetz ist, zeigt ein Blick in die Website-Rankings der Parteien im Deutschen Bundestag: 

Die Grünen im Bundestag, die auf ihrer Abgeordnetenseite geschlechtsneutral entweder von “Kandidat*innen” oder von “Abgeordneten” sprechen, erzielen mehr als 1.300 Keyword-Rankings und landen auch für Begriffe wie “Grüne Politiker” und “Grüne Politikerin” ganz weit oben in den Google-Suchergebnissen. Ähnlich verhält es sich für die Abgeordnetenseite der FDP-Fraktion, die ebenfalls gut sichtbar für “FDP Politiker” und “FDP Politikerinnen” rankt.

Wohlgemerkt, die Wörter “Politiker” oder “Politikerin” fallen auf den genannten Seiten kein einziges Mal. In manchen Fällen, so scheint es, klappt die Google Synonym-Erkennung also schon ganz gut. 

Und John Müller von Google hat uns noch einen weiteren Tipp mitgegeben: Geschlechtergerechte Wörter mit Doppelpunkt oder Gendersternchen sollen bereits standardmäßig – und vor allem auch im generischen Maskulin – von der Maschine erkannt werden. Wer seine Texte auf diese Weise gendert, wird daher (vermutlich) keine großen Probleme bekommen. 

Weitere Tipps für gendergerechten SEO-Content in der Übersicht:

  • Verwende verschiedene Schreibweisen geschlechtsneutraler Begriffe und versuche, alle Geschlechter abzudecken – nicht nur das generische Maskulinum (z.B. mithilfe von Begriffen wie “Kandidat*innen” und “Abgeordneten”)
  • Setze in diesem Kontext auf Alternativbegriffe: Anstatt sich auf ein Geschlecht festzulegen, kannst Du versuchen, Alternativkeywords für Deine Inhalte zu finden. Vor allem generelle Begriffe wie beispielsweise “Dermatologie Berlin” verfügen in der Regel ebenfalls über gute Suchvolumina (900). Auch in der Politik gilt diesbezüglich: Anstatt von “Politikern” lässt sich ganz einfach von “Abgeordneten” sprechen. Die Suchmaschine erkennt in diesem Fall das Synonym.
  • Ist Dir die Ansprache von bestimmten Personengruppen und Geschlechtern sehr wichtig, so kannst Du ggf. eigene Landingpages einrichten und dort eine klare Ansprache wählen.

Fazit: Es kommt darauf an

Ist das Gendern auf Webseiten nun gut oder schlecht für die Performance? Die Antwort lautet: Es kommt – wie immer – auf den Einzelfall an. Während die Suchmaschine im politischen Umfeld schon recht gut mit geschlechtsneutraler Sprache umgehen kann, mag das in vielen anderen Bereichen anders sein. 

Hier ist Geduld gefragt, denn: Je mehr Menschen geschlechtergerechte Sprache in der Suche verwenden – und je mehr Unternehmen diese in ihrer Außenkommunikation einsetzen – desto stärker wird sich auch der Google-Algorithmus verändern (müssen).

19.05.2022

Petra Horstick
Petra Horstick
Redaktion & Content Management

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